Mittwoch, 3. August 2011

So fing das an


Ich traf Kai auf so einer Veranstaltung mit Stehtischen und Anzügen. Ich arbeitete zu der Zeit noch als Jasager für eine der beiden großen Volksparteien. In meinem Vertrag steht, dass ich nicht sagen darf, für welche, aber in Veranstaltungen traten häufig ältere Damen in Kostümen auf.

Kai und ich waren zusammen in der Schule gewesen und hatten uns danach schnell aus den Augen verloren – keiner konnte so genau sagen, warum. Er fing dann gleich an, von sich und seinen Erfolgen zu reden. Es war nicht so, dass er ein Angeber war – er war nur ganz einfach der Meinung, dass seine Beiträge zur Verschönerung dieser Welt und seines Lebenslaufs von bevorzugtem Interesse für die Allgemeinheit waren. Vielleicht teilte ja auch irgendjemand diese Meinung. Zwischendurch erzählte er auch einmal, um die Themenvielfalt etwas aufzulockern, von seiner Schwester.

Sie hatte sich, genau wie ich, nach dem Studium von Zeitvertrag zu Zeitvertrag gehangelt, und keiner von denen hatte so richtig etwas mit ihrer Ausbildung zu tun gehabt. Auch ihr aktueller Job bot keinerlei Aussicht auf dauerhafte Lebensplanung, doch sie war zumindest mit dem Gehalt zufrieden. Sie arbeitete in Kalifornien als SMS-Verwalterin und verdiente damit rund 20 Millionen im Jahr. Ich glaube, Dollar. Das überraschte mich – ich hätte nicht gedacht, dass man damit mehr als 12 Millionen Dollar verdienen könnte. Kai jedoch versicherte mir, dass es so sei; sie seien damals auch alle sehr verblüfft gewesen. Ich versicherte ihm, dass ich auch schwer verblüfft sei und musste dann auch schnell zum Büffet.

Noch ein Bild, für alle, die nicht so gerne nur Text im Internet haben. Das Bild ist aus Berlin, weil Berlin ja cool ist.

Schon am nächsten Tag traf ich mich mit Bernhard. Bernhard war weit über 50, Typ „Harry Rowohlt ohne erfolgreiche Karriereplanung und ohne Alkohol“. Er jobbte auch bei einem Mobilfunkdienstleister, für den er in Heimarbeit verloren gegangene SMS wieder zuordnete. Er konnte gut noch jemanden gebrauchen, der ihm unter die Arme griff. Nur leider seien die Verdienstmöglichkeiten in Deutschland längst nicht so gut.

„Anderer technischer Standard, weißt du? IS-95, weißt du? Nutzen auf der ganzen Welt nur die, und dann wundern sie sich, dass man so viel Geld fürs Zuordnen ausgeben muss. Haben nach dem Krieg im Irak auch gleich versucht, es denen anzudrehen. Pfff. Und die haben da keine Meldepflicht, weißt du? Freiheit und so! Pfff. Nutzt mal wieder nur den Reichen, ist ja klar. Na, sieh's dir mal an.“

Er lagerte die Kurznachrichten in einem alten, ausgestöpselten Kühlschrank in seinem Schlafzimmer, der ansonsten nur gebraucht wurde, um das Bügelbrett daran anzulehnen. Wozu er ein Bügelbrett hatte, ließ sich aus seinem Erscheinungsbild nicht direkt ableiten. Die SMS waren auf Karteikarten ausgedruckt, die in Pappkartons steckten.

„Hab sie sortiert, weißt du? Nach Anfangsbuchstaben. Irgendwo muss man ja anfangen.“ Es wurde dann auch noch ein längerer Abend.

(zur Fortsetzung)

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