Mittwoch, 17. Juli 2013

Absagen von Kinderbuchverlagen: Vorbemerkungen

Eine weitgehend unbeachtete Textgattung ist die zu Unrecht vernachlässigte Absage. Das ist schade, denn meist ist die Absage die einzige Rückmeldung, die ein Autor auf sein Werk erhält. Ein Werk, wohlgemerkt, in das er/sie oft Jahre investiert hat und große Hoffnungen setzt. Ein Werk, das es in der Selbstwahrnehmung oft mit den größten Werken der Weltliteratur aufnehmen kann. (Nun gut, eigentlich macht es alle andere Literatur vollkommen überflüssig, aber das sollen andere sagen; man muss ja den Anschein von Bescheidenheit wahren.)

Dann kommt die Absage. Auf ein sorgfältig komponierten Begleitschreiben. Das kann niederschmetternd sein. Ist es meist auch. Und dann legt der / die Autor/in jedes Wort auf die Goldwaage und sucht nach den Gründen für die Ablehnung. Die stehen da aber so genau gar nicht drin.

Warum wird mein Werk abgelehnt?

Es hat eigentlich nichts mit Ihnen oder Ihrem Werk zu tun. Naja, fast nichts.

Bücher verlegen ist wie Spekulation mit Aktien.

Ein Verlag hat nur eine begrenzte Anzahl an Bücher, die er pro Jahr machen kann. Die Entscheidung für ein Buch ist die Wette darauf, ob es erfolgreich sein könnte. Schießlich muss der Verlag einigermaßen über die Runden kommen.

Von 20 Büchern, die ein kleiner Verlag pro Jahr macht, sind dann
  • 10 Bücher von bereits etablierten Autorinnen des Verlags. Die fand man ja mal gut, die möchte man weiter aufbauen und fördern. Eine Entscheidung für ein Buch ist immer auch eine Entscheidung für eine Autorin, mit der man jahrelang zusammenarbeiten möchte. (Das gilt natürlich besonders dann, wenn das letzte Buch einigermaßen erfolgreich war.)
  • 5 Übersetzungen von erfolgreichen fremdsprachigen Titeln.
    Die sind etwas weniger aufwendig, und haben schon eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Hinzu kommt für die Lektorin, dass sie das fertige Buch schon sieht, wenn auch in einer anderen Sprache. Sie muss also nict erst hoffen, dass das fertige Buch gut wird, wie das Manuskript es erhoffen lässt.
  • 3 Bücher mit Märchen oder ähnlich alteingesessenen Texten, für die nur die Illustration neu ist, die bekannt sind und bei denen man keinem Autor auch nur irgendwas bezahlen muss.
  • 1 Buch von einer bekannten Person, die bisher noch keine Kinderbücher veröffentlicht hat, aber jetzt auch Kinder hat und sich dachte, so schwer kann das doch nicht sein.
  • 1 neuer Titel von einer bislang unbekannten Autorin.
Dieser eine neue Titel ist Ihre einzige Chance (es sei denn, sie werden vorher noch ganz fix berühmt). Und das bei 2000-2500 Manuskripten pro Jahr. Wollen Sie einen Tipp von der Tante?

Vergessen Sie's!


Es ist ja auch nicht so, dass auf alle akzeptierte Manuskripte sogleich Reichtum, Berühmtheit und Einladungen zum Promidinner warten. Im Gegenteil, die wenigsten Autorinnen können vom Schreiben auch nur leben.

Machen Sie das beste Buch, dass sie machen können. Suchen sich eine Illustratorin dazu und verschenken es. Drucken sie es selbst, in kleiner Auflage, oder vertreiben es als E-Book. Aber sparen Sie sich die enttäuschten Hoffnungen.

Welche Manuskripte ausgewählt werden

Die Entscheidung für ein Buch ist von Verlagsseite aus eine Wette: eine Wette darauf, dass dieses Buch genug erwirtschaftet. Es ist wirklich wie beim Aktienkauf:
  • es gibt viele solide Titel, eher langweilig, aber gut genug für eine kleine Dividende
  • es gibt ein, zwei aufregende, spannende Titel, die man persönlich richtig toll findet, von denen man hofft, dass sie ihr Potential entfalten
  • es gibt ein paar Titel, die irgendwo dazwischen liegen.
Manche sind inhaltlich toll, aber riskant. Manche sind öde, werden aber komischerweise gekauft. Zusammen ergeben sie ein Verlagsprogramm, das nicht nur erfolgreich sein soll, sondern auch noch wiedererkennbar sein muss.

Sie glauben das zwar nicht, aber Verlegern ist es total wichtig, dass das Verlagsprogramm wiedererkennbar ist, eine »eigene Handschrift hat«. Das kommt noch aus der Zeit, in der Buchhändler irgendwas zu sagen hatten und man diese überzeugen musste. Da half es, wenn man wiedererkennbar und eigenständig war. Hat sich noch nicht abgenutzt. (Okay, es hilft natürlich auch, wenn man bei Redakteuren und Kritikern einen Namen hat - wenn man einen guten Namen hat.)

Heutzutage kann jeder Buchhändler die meisten Titel um 16 Uhr bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr bestellen, und wer es nicht ganz so eilig hat, bestellt eben im Internet. Da ist es den undankbaren Kunden auch egal, welcher Verlag welches Buch gemacht hat.

(Kleiner Test: In welchem Verlag erschien »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster sprang und verschwand« und kennen Sie ein anderes Buch aus dem Verlag? Na? Wurde trotzdem ein Hit.)

Schluss des Vorhergehenden.

Anforderungen an eine Absage

Dabei (bei was genau? Bei alldem) muss das Absageschreiben eine Menge leisten.

Die Absage muss freundlich sein und die Gefühle der Schriftstellerin nicht verletzen. Immerhin hat sie sich vertrauensvoll an den Verlag gewandt - dieses Ansehen sollte man nicht verspielen. Auch ungeachtet der Tatsache, dass das nächste Buch dieser Autorin der absolute Kracher sein könnte.

Die Autorin muss davon abgehalten werden, beim Verlag noch mal nachzuhaken. Das ist ganz wichtig, weil dadurch nur Arbeitskraft vernichtet wird

Die Autorin sollte ermutigt werden, weitere Schriften einzureichen. Man weiß ja nie. Schließlich haben alle Autorinnen als Unbekannte angefangen (von den Prominentenkindern mal abgesehen). Es geht also darum, die Autorin nicht in eine Depression zu stürzen, freundlich aber bestimmt zu sein, klar zu machen, dass es viele Gründe für eine Absage geben kann. Dass das Werk halt »nicht passt«, nicht, dass die Autorin eine Niete ist.

Und bei all dem hat der Verlag die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie total gut mit Wörtern umgehen können - besser als die Autorin schon mal auf jeden Fall. Da kann man doch mal kucken, wie sie das schaffen.

Genau das werden wir demnächst tun. Die Tante hat eigens zu dem Zweck Absageschreiben gesammelt und wird die hier unentgeltich zur Verfügung stellen (verdammt, für irgendeinen Scheiß muss das Ganze doch nützlich gewesen sein, verdammt!).

Oh, zwei Verdammt in einem Satz. Nun, das bringt meine Gefühle bei der Sache auch nicht annähernd zum Ausdruck.



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